dridde bloggt. manchmal.

Das muss sich schrecklich anfühlen.

Gestern Nachmittag stand ich mit einer Kollegin auf der Terrasse unserer Teeküche und trank Kaffee. Während der Plaudereien kam das Thema auf Arbeitszeiterfassung, Unternehmenskultur und Burnout. Sie sagte irgendwann “Stell dir mal vor, du wolltest dein ganzes Leben eine bestimmte Sache machen, die dich begeistert und auf einmal hört es auf die Spaß zu machen und du merkst, dass es beginnt, dich krank und fertig zu machen. Das muss sich schrecklich anfühlen.” Sie sprach dabei eigentlich von einigen ihrer Studienkollegen, die in Beratungsbuden anfingen und von denen nur wenige länger als 5 Jahre in diesem Job arbeiten konnten, weil sie sich dort durch 80 Stunden Wochen etc. aufbrauchten. Was sie nicht wusste, war, wie sehr sie auch mich damit traf.

Den ersten Kontakt zu Computern hatte ich 1990. Kurz nach der Wende kaufte mein Vater günstig einen gebrauchten IBM PC. Ich war 8, spielte darauf Prince of Persia, Sokoban, Zak McKracken und lernte meine ersten englischen Vokabeln wegen Kings Quest III. Mein Vater arbeitete sich in Basic ein und programmierte zum Zeitvertreib eine Kontaktverwaltung. Nach ein paar Jahren hatte ich ihn, was “Computerwissen” anging, eingeholt. Gegen 1995 kaufte ich meinen ersten eigenen alten Rechner und sammelte selbst mit Basic und Pascal erste Programmiererfahrungen. Im Winter 1996/1997 kam dann das Internet dazu.

Spätestens als ich 14 war, hatte ich den Entschluss gefasst, dass Computer, Programmieren und sich in immer neue Dinge eindenken zu müssen das ist, was ich später machen möchte. Dementsprechend wählte ich meine Leistungskurse und Wahlfächer im Abitur und begann nach dem Zivildienst 2001 an der Universität Rostock einInformatikstudium auf Diplom. Dort bekam ich meinen ersten Dämpfer. Ich fühlte mich, speziell in den Mathematikvorlesungen, zu dumm und fehl am Platz, programmierte aber trotzdem privat viel und hatte Spaß am Experimentieren. Das Studium brach ich nach 3 Semestern ab, da ich mir keine Chancen in den Matheprüfungen ausrechnete, und war ziemlich geknickt, mir das eingestehen zu müssen.

Trotzdem ließ mich das Thema nicht los und ich begann eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung. Die fiel mir im Vergleich zum Studium viel zu leicht, Mathematik gab es während der Ausbildung quasi gar nicht und ich langweilte mich schnell, spielte mit Linux herum, wusste irgendwann ganz gut, was ich tat, aber hörte irgendwann im zweiten Lehrjahr fast komplett auf, zum Zeitvertreib Code zu schreiben. Die Ausbildung verkürzte ich um ein halbes Jahr und arbeitete ein paar Monate im Ausbildungsbetrieb weiter. Ich war schnell frustriert, da sowohl finanziell als auch von den Aufgaben her nichts spannend war und es auch keine Perspektive gab, dass sich das ändern würde.

Ich wollte noch einmal studieren, diesmal an einer FH. Durch Glück konnte ich ein duales Studium zum Bachelor of Computer Science beginnen; Praxis und Theorie im Wechsel, kein Studentenleben, keine Semesterferien, Durchfallen oder Bummeln keine Option. Das Studium war ziemlich verschult, der Druck und das Wissen darum, ohne Hochschulabschluss kaum Spannendes tun zu können, waren aber eine zusätzliche Motivation. Auch die Mathevorlesungen waren diesmal machbar, aber in der Tiefe natürlich auch nicht mit denen an der Uni vergleichbar. Die Praxisphasen waren ätzend bis spannend, der Fokus lag nach kurzer Zeit auf Java und ein wenig .Net. Für privatesCoden blieb fast keine Zeit, ich probierte aber viel aus und spielte mit Wissen aus dem Studium herum. 2009 schaffte ich einen recht guten Abschluss. Die letzten 5 Jahre habe ich dann mehr oder weniger ambitioniert für zwei Firmen gearbeitet.

Seit über 11 Jahren lebe ich davon, Software zu entwickeln. Je länger ich es tue, desto weniger Bezug habe ich dazu, desto weniger Spaß und Befriedigung ziehe ich daraus. Die Organisation der Entwicklungsprozesse hat sich in dieser Zeit stark gewandelt: Inzwischen wird alles geplant, gemessen, bewertet, bedarf Erklärungen und Rechtfertigungen. Zeit zum links und rechts schauen, Dinge ausprobieren oder um Wissen aufzubauen, gibt es quasi gar nicht mehr. Genauso wenig wie die nötige Ruhe – Großraumbüros und deren Unruhe, Erreichbarkeit via Mail, Telefon, Besuch am Schreibtisch und ständige Meetings lassen kaum konzentriertes und strukturiertes Arbeiten zu. Musik hören, die lauter als das Büro ist, ist auf Dauer auch keine Lösung. Das wurde in dieser Zeit in jedem Job nur schlimmer, nirgends entwickelte es sich zum Positiven oder verschlechterte sich zumindest nicht . Parallel dazu wuchs ein Gefühl von Ahnungslosigkeit, Überforderung und die Befürchtung, nicht wirklich gut zu sein in dem, was ich tue und dass es nicht mehr das ist, was ich tun möchte.

Ich bin jetzt 32 Jahre alt. Jährlich kommt ein Brief von der Deutschen Rentenversicherung: Mein regulärer Renteneintrittstermin ist der 29.04.2049. Ich weiß jetzt schon, dass ich so nicht 35 Jahre weitermachen kann und will. Nach 11 Jahren bin ich aktuell erschöpft, lust- und motivationslos, zweifelnd und ein bisschen enttäuscht von mir selbst. Wenn ich mich ein wenig umschaue, sehe ich viele Menschen, denen es ähnlich geht.

Derzeit denke ich viel darüber nach, woher das kommt, ob es vermeidbar gewesen wäre und wie ich aus diesem Loch wieder herauskomme. Außer kündigen, etwas reisen und dann wieder anfangen und interessantes Zeug aus eigenem Antrieb mit Computern zu machen fällt mir aktuell nicht viel ein. Und vor diesen Schritt habe ich gerade noch zu viel Schiss.

 

Die schwarze Wanderbaustelle (2)

Da ich vor Kroatien nur eine kurze Probefahrt machte und das mein erstes fahrfähig gekauftes, gebrauchtes Motorrad war, aber ich vermutlich viel vergessen, viel nicht angesehen und vieles nicht einschätzen können. Wie auch, ohne Erfahrungswerte. Meine beiden Begleiter waren auch eher wortkarg und an ihrer Expertise bezüglich Gebrauchtmotorrädern ließen sie mich auch nicht wirklich teilhaben.

Immerhin fuhr die Kiste ordentlich und brachte mich ohne nennenswerte Ausfälle durch den Kroatienurlaub. Einmal hab ich die XT hingeschmissen und mir dabei einen Lenkerhalter verbogen. Den konnte ich aber recht preisgünstig wieder ersetzen. Dazu musste auch nicht wirklich viel geschraubt werden.

Zurück in Berlin dachte ich, ich mache mal die üblichen Routinesachen, Öl und Luftfilterwechsel, neue Zündkerze, nix wildes. Dabei stellte sich dann raus, Luftfilter hatte sie gar nicht, der kroatische Offroaddreck ging schön ungefiltert in den Motor. Na Danke. Ölfilter war auch schon antik und einer der O-Ringe am Ölfilterdeckel fehlte. Die Zündkerze war ziemlich fest und mangels passendem Zündkerzenschlüssel konnte ich sie erstmal nicht wechseln. Was ich außerdem noch wusste, war ein kaputter Sitzbankbezug, eine Hitzbedingte verformung der Frontmaske und ein paar fehlende Befestigungsschrauben hier und dort.

Außerdem waren alle lackierten Teile ohne Sinn und Verstand überlackiert, sogar die Sitzbank. Welche Farbe die XT Original hatte habe ich bis heute nicht raus. Einige Verkleidungsteile sind aus blauer Plastik, einige aus weißer. Der Rahmen scheint mal rot gewesen zu sein, unter dem Rot ist aber auch eine Schicht blau. Zwischenzeitlich waren einige Teile wie der Tank und die Frontverkleidung auch mal orange. Trotzdem tippe ich auf eine rot/weiße XT.

Da außerdem 2013 der TÜV anstand, hatte ich die XT auch einmal kurz zum durchchecken bei Fuhrmann, der mir dann eine schon ziemlich lange Mängelliste gab, mit vielen kleineren Sachen. Das fing bei Mischbereifung, abgefahrenem Hinterreifen, verbogenem Bremshebel an und hörte bei verschlissenem Kettenkit, einer Bremsscheibe am Lebensende oder verschlissenen Ruckdämpfern auf. Der Rat vom Meister war, hau die Kiste weg und kauf dir bei uns was schönes Neues. Gut, klar, er wollte sie mir madig rechnen und lieber Umsatz machen. Aber kurz bei Kedo geguckt, so schlimm und teuer wie er sagte, war das alles gar nicht und vieles davon war selbst zu machen. Erstmal war aber Winter und in der Garage war es zu kalt zum schrauben. Da aber die nasse Jahreszeit kam, habe ich wenigstens die Sitzbank mal neu bezogen.

Ich bin ja ein Ganzjahresfahrer, aber im Februar war erstmal Schluss mit Mopped fahren. Es stank irgendwie nach Benzin und morgens war so eine verdächtige Pfütze unterm Motor. Da es zum Glück nicht vom Motor kam, habe ich am Wochenende drauf mal den Tank ausgebaut und wäre ja fast vom Glauben an den Schaubergott abgefallen. Auf dem Tank sind 4 “Ösen” angeschweißt, die ein Gewinde für die Verkleidungsschrauben haben. Eine davon war wohl mal angerissen. Und einer der Vorbesitzer hat tatsächlich den Tank “repariert”, indem er ein Loch reingebohrt und zwei Nieten durchgeballert hat?! Da die Nieten wohl nicht dicht waren, hat er drumherum ordentlich Bad-Silikon geschmiert. Das ist aber nicht benzinfest und hatte sich dann wohl über den Winter aufgelöst. Ganz großartig…

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Da ich keine Flickschusterei betreiben wollte, musste ich also irgendjemanden finden, der mir diese Öse wieder an den Tank schweißen kann. Und will. Das wollen war dabei das größere Problem. Ich habe ein wenig herumtelefoniert und war in ein paar Karosseriebuden. Die Schweißer dort meinten, das wäre alles an sich kein Problem, dürften sie aber nicht machen, weil sie den Tank für’s Schweißen mit Gas füllen müssten, damit nix explodiert. Und die Anlage dafür hatte niemand. Ich war auch noch bei Gabor’s MZ Laden, da der ja an alten MZs rumschraubt und da sicher auch mal Tanks auszubessern sind. Der hat mich dann an die Motormänner verwiesen. Da hätten sie das aber nur hartgelötet und waren von der Idee an sich auch nicht so begeistert. Jemand gab mir noch eine Adresse von einer Firma die auf Tankreparaturen spezialisiert ist, dazu hätte ich den Tank aber munter durch halb Deutschland schicken müssen. Ich war schon kurz davor das wieder zu nieten und Epoxidharz draufzukippen, das ist wenigstens benzinfest. Da ein alter, rostiger und verbeulter Tank auf Ebay gerade für 130€ wegging war ich notgedrungen bereit gut 150€ für die Reparatur zu investieren. Aber niemand wollte mein Geld.

Durch Zufall kam das Thema Abends nach einem Kletterevent in einer Bar zur Sprache und dann hieß es nur kurz “Ja, kein Ding, schweiße ich dir. Der Tank steht ja schon wochenlang leer rum und ist gut durchgelüftet, oder? Dann explodiert da auch nix mehr”. Zwei Wochen später hatte ich den geschweißten und dichten Tank wieder zuhause liegen und musste nur noch Rostschutzgrund und schwarze Farbe auf die Schweißstellen machen. Da ich zwischenzeitlich noch einen familiären Notfall hatte, wurde mir der Tank sogar nach Hause gebracht. Ich bin Volker, den ich seit dem nicht wieder gesehen habe, wirklich immer noch unglaublich dankbar.

Mit repariertem Tank dann die XT wieder zusammengeschraubt und ich konnte weiter fahren. Bis dann im Mai der TÜV fällig war, den ich vor der geplanten Schwedenreise im Juni noch neu brauchte. Das ist aber Stoff für Teil 3.

Kannst du mir mal mein Smartphone angucken?

Ende der 90er schaffte sich fast jede Familie in meinem Umfeld einen Computer an. Aus irgendeinem Grunde wurde ich Freundes- und Bekanntenkreis beschlossen, dass ich der computeraffine Teenager bin, der herumgereicht wird um die virenverseuchten Kisten wieder fit zu machen, ganze Abende Shareware und Trojaner deinstalliert und am Ende dann einen Zwanziger zugesteckt bekommt, den man eigentlich gar nicht möchte, weil der die Zeit eh nicht aufwiegen kann und man es nun nicht wegen des Geldes macht sondern den Leuten Hilfe zur Selbsthilfe geben möchte. Dass das mit der Selbsthilfe fast nie geklappt hat und man, wenn man einen Rechner einmal auch nur länger als 30 Sekunden angeguckt hat, sofort einen unkündbaren Wartungsvertrag an der Backe hat, wissen glaube ich alle Nerds meines Jahrgangs.

Ich fühlte mich die letzten Tage wieder sehr stark daran erinnert. Mein Schwager, meine Schwester, mein Vater – alle engeren Familienangehörigen haben sich in den letzten Monaten Smartphones angeschafft oder sie geschenkt bekommen. Alle sind in ähnlichem Maße davon überfordert. Obwohl sie alles kluge Menschen sind, kommen sie selbst mit Bedienungsanleitung nicht weiter. Jede App funktioniert irgendwie anders, Wischgesten sind eben doch nicht so intuitiv und der Gedanke, dass das inzwischen eher ein kleiner Computer ist, der zufällig auf telefonieren kann, scheint noch ein bisschen fremd zu sein. Ich warte noch darauf, dass ich dann regelmäßig Apps ausmiste, die eh nie gestartet werden, so wie früher die tausenden Sharewareprogramme, die sich auf der Festplatte meines Vaters fanden.

Was ich aber viel interessanter fand, ist der Abbau der Paranoia in Bezug auf Privatsphäre und persönliche Daten. Meine Schwester ließ damals während der StreetView-Debatte ihr Haus verpixeln, obwohl sie in einer Schleswig-Holsteinischen Kleinstadt lebt, die wohl erst Jahre später dort gelandet wäre. Ich hatte damals bei Gesprächen mit meinen Eltern und ihr pro-StreetView argumentiert, ich konnte sicher auch ein paar Punkte machen und falsche Behauptungen aus den Zeitungen gerade rücken, aber dennoch war da diese allgemeine Angst vor Google und der Hausfassade im Internet.
Rückblickend wurde wohl der persönliche der Nutzen nicht ersichtlich. Heute wird, vor dem buchen des Urlaubs, auch erst einmal der Urlaubsort virtuell abgefahren und das Hotel angesehen.
Beim einrichten der Smartphones wurde ich dann jedes mal gefragt, was denn so ein Google Account sei und was der bringe. Also erklärt, dass da eine Mailadresse, ein Kalender, eine Kontaktverwaltung etc dranhängt, man gigabyteweise Speicher für Mails (bisher hatten sie tatsächlich noch web.de mit unglaublichen 12MB! Speicherplatz für Mails) und Dokumente “in der Cloud” hat und sich das alles ganz prima selbst synchronisiert und auch teilen lässt. Alles einmal auf meinem Smartphone und die Webfrontends gezeigt. Da ich die Privatsphärenbedenken noch gut vor Augen hatte, natürlich darauf hingewiesen, dass Goolge dann “weiß”, wen du kennst, was für Termine du hast, wem du Mails schreibst etc. und dass das Telefon auch durchaus ohne den Google Account funktioniert. Dann funktionieren halt nur einige Komfortfunktionen wie Kalender- und Kontaktsynchronisierung etc. nicht.
Erstaunlicherweise war das weder für meine Eltern noch für meine Schwester ein Problem (wobei letzte immer noch der Meinung ist, ihre Hausfassade gehöre nicht ins Internet). Da mich das durchaus ein wenig belustigt hat, habe ich nachgefragt, warum sie es für schlimm halten, dass Google Häuser fotografiert, aber viel privatere Daten wie Geburtstage Kontakte, Adresse, Mails, Termine, etc, die viel mehr Rückschlüsse erlauben, freiwillig und ohne Not an Google geben. Eine plausible Erklärung hatten sie dafür nicht.
Vielleicht liegt es daran, dass der persönliche Nutzen direkt ersichtlich ist, dass es keine Medienkampagne dazu gab oder dass kein Zugriff von Fremden auf die Daten möglich ist, obwohl die NSA-Überwachungsgeschichte zu dem Zeitpunkt schon publik und aktuell war. Vielleichit fehlt auch einfach das plausible Bedrohungsszenario wie “Einbrecher könnten gucken wie mein Haus aussieht!”. Gut, im zweifel kann er dann im Kalender gucken, wann man nicht zu Hause ist…
Vielleicht ist das auch alles nicht so schlimm, weil Google eh schon weiß, wo meine Eltern und meine Schwester wohnen. Ich habe sie ja auch in meinen Kontakten. ;)

Ich werde auf jeden Fall weiter beobachten, ab wann Bequemlichkeit Ängste und Privatsphärenbedürfnis schlägt.