dridde bloggt. manchmal.

Merkwürdige rote Lichter an Kreuzungen?

Wenn sich Berliner über rücksichtslose Verkehrsteilnehmer aufregen, die bei Rot über Ampeln fahren, denkt vermutlich jeder erst einmal an Radfahrer. Das wird einem ja immer wieder in Artikeln und in Foren vorgebetet. Radfahrer kümmern sich nicht um rote Ampeln und fahren ohne Rücksicht auf andere. Das Ding ist, ja, machen einige Radfahrer. Andere Stellen sich an Ampeln vor die Haltelinie und die “schnelleren” Radler und blockieren so im schlechtesten Falle den Querverkehr. Radfahrer machen sicher auch noch viel anderen Blödsinn. Darum soll es hier aber einmal nicht gehen.

Ich bewege mich relativ viel im Straßenverkehr, zu Fuß, auf dem Rad, im Auto und im Sommer ziemlich viel auf dem Motorrad. Und genau dabei ist mir diesen Sommer etwas ziemlich anstrengendes aufgefallen. Mit einem Motorrad beschleunigt man ziemlich schnell, auch wenn man nicht gerade wert auf Ampelrennen legt und beim Umspringen auf grün mit Vollgas losrast, ist man doch relativ schnell auf 50 und über eine Kreuzung. In letzter Zeit fahre ich aber lieber erst einige Sekunden (lies: 3-5) nachdem ich grün bekommen habe, überhaupt los. Weil ich doch ganz gerne nicht umgefahren werde.

Auf meinen normalen Arbeitsweg von je knapp 7km länge gibt es 15 Ampeln auf dem hin und 14 Ampeln auf dem Rückweg. An 6 davon passiert es mir jeden Tag, dass ich schon diverse Sekunden grün habe und immer noch Jemand fährt, der eigentlich schon lange rot hat. Dabei meine ich nicht irgendwelchen noch auf der Kreuzung stehenden Querverkehr oder Abbieger, die noch abfließen müssen, auch kein “Oh, schon ein paar Sekunden Gelb, na dann noch schnell mal Gas geben”, sondern schon richtig gewolltes ignorieren der Ampel. Jeden Morgen und jeden Abend habe ich Kreuzungen bei denen ich weiß, wenn ich bei grün losfahre, fährt mir höchstwahrscheinlich jemand rein. Die Autos trifft es meistens nicht, die sind zu langsam beim Anfahren und noch nicht weit genug auf der Kreuzung. Nur am Straußberger Platz Richtung F’hain sehe ich die auch mal warten, weil zum Teil 10 Sekunden lang noch Autos trotz Rot weiterfahren. Mit dem Motorrad bin ich aber regelmäßig schneller und muss bremsen.

Ich frage mich dann meistens, ob das normal ist. Vielleicht sollte man sich mal bewusst machen, dass Grün “fahren” Gelb aber nicht “schneller fahren” heißt und bei dunkelgelb durchhuschen schon scheiße, bei richtig rot aber völlig bescheuert ist. Und sind wir mal ehrlich. Wenn das ein Radfahrer macht, dann fährt der mich um. Klar, der fährt aber vielleicht 30, 40 und wiegt 100kg. Dann falle ich um und habe eine schramme im Lack, ihm passiert vermutlich ein bisschen mehr. Tendenziell fahren die dabei auch eher vorsichtig, weil sie wissen, dass sie primär sich gefährden. Trotzdem scheiße. Wenn aber ein PKW oder gar LKW das macht, dann habe ich eher keine Chance und da bleibt nicht viel übrig.

Vielleicht tut bei Rot fahren noch nicht weh genug oder das Konzept mit stationären Rotblitzern ist Mist. Ich lese immer wieder in Kommentaren unter Kampfradlerartikeln, dass die doch gefälligst genau wie die Autofahrer bestraft gehören. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: werden sie. Ein Rotlichtverstoß kostet einen Radler  mit allem um die 100€ und es gibt einen Punkt im Verkehrsregister.
Ich hatte auch schon zwei Punkte, für unspektakuläre Rotlichtverstöße Abends an leeren Fußgängerampeln. Motorisiert habe ich das bisher nicht geschafft und nicht angestrebt.

Ich habe auch versucht mal die Statistiken zu Rotlichtverstößen anzuschauen. Es ist leider nicht aufgeschlüsselt zwischen Rad- und Autofahrern, aber die einzige Statistik die ich finden konnte weist etwa 260000 Verstöße pro Jahr aus und endet 2014. Vermutlich hilft die aber nicht bei meiner Wahrnehmung, dass es dieses Jahr besonders schlimm ist. An den Ampeln mit Rotblitzer fährt ja eigentlich kein Ortskundiger durch. Schon gar nicht ohne zu träumen.

Rotlichtkontrollen für Radfahrer funktionieren so, dass an den Ampeln Beamte stehen, die schauen, wer so bei rot fährt, das an Kollegen ein paar 100m weiter weiterleitet und diese dann die Radler “rausziehen” und vor Ort belehren und die Personalien feststellen, damit später der Bußgeldbescheid per Post kommt. Vielleicht wäre es sinnvoll, das auch für den motorisierten Verkehr häufiger zu machen und nicht nur fast ausschließlich auf Rotblitzer zu setzen. Gleich eine Belehrung und einen Bezug zum Verstoß, nicht Wochen später mal ein Brief “zahlen sie Bitte jetzt” und das wars. Bei den Radfahrern verspricht man sich ja auch einen gewissen Erziehungseffekt.

Das Ende der demokratschen Wahl

Der Tagesspiegel schreibt gerade das Ende der demokatischen Wahl herbei, weil die Briefwahl unser aller Ende sein wird.

Ich halte das ja für ziemlichen Blödsinn.
Einerseits wird Dramatisch darauf verwiesen, dass der Anteil der Briefwähler in 1957 bei 4,9 und 2009 bei 21,4% lag. Der Vergleich hinkt, weil 1957 das erste mal Briefwahl zulässig war, sie aber noch begründet werden musste. Ohne die Pflicht zur Begründung wären es damals vielleicht auch viel mehr Menschen gewesen. Die Gesamtwahlbeteiligung lag 1957 bei 87,8% mit gut 31,1Mio Wählern. 2009 lag die Wahlbeteiligung bei 70,8% mit gut 44Mio Wählern. Macht 1957 absolut ca. 1,5 und 2009 ca. 9,4Mio Briefwähler. Damit hat sich die absolute Zahl etwas mehr als versechfacht, der Anteil vervierfacht.

Dann kommen die Kritikpunkte.
Die Spaßgesellschaft ist schuld. Schuld daran, dass wir lieber Sonntags ausschlafen oder Wegfahren oder im Urlaub sind, statt ins Wahllokal zu gehen. Dass ein Urlaub durchaus ein valider Grund ist oder ein “nicht in der Nähe des Wahllokals sein” Ursachen wie Fernbeziehungen oder Pendeln, schlicht, die immer wieder geforderte Mobilitätsbereitschaft haben kann, kommt gar nicht in Betracht.
Dann wird konstruiert, dass die Briefwahl eben die Wahlgrundsätze kaputt macht. Weil eben nicht alle Wähler gleich informiert sind. (Spoiler, die Briefwähler sind potentiell schlechter informiert) Das ist eigentlich nicht wirklich ein Problem, die Briefwählerin verzichtet ja freiwillig auf dieses Privileg, sich den Politzirkus bis zum Wahltag anzusehen. Sie kann den Wahlbrief auch erst am Freitag vor der Wahl ausfüllen oder falls sie wirklich zu gebrechlich ist, einer Vertrauensperson mitgeben, die ihn am Wahltag ins Wahllokal bringt. Das ganze wird dann noch mit Ereignissen der letzten Wochen begründet. Aber mal ehrlich, wer davon ausgeht, dass aktuelle Ereignisse wie drohende Kriege im Nahen Osten oder Stinkefingerfotos wirklich Wahlentscheidungen von Menschen massiv beeinflussen, der hat auch ein eingeschränktes Demokratieverständnis. Snowden und die NSA (klingt ein wenig wie ein Kinderbuchtitel), das scheint für die meisten Wähler wohl auch nicht relevant zu sein. Die zaghafte Debatte ist da, aber in den Umfragen hat sie eben keinen wirklichen Einfluss gehabt. Außerdem haben die Parteien und Kandidaten absolut keinen Anspruch auf die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Wahlberechtigten bis zur letzten Minute vor dem Wahltag.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat ja eben *kein* Problem damit, dass es die Briefwahl gibt und sieht es als wichtiges Partizipationsmittel.
Der einzig valide Kritikpunkt ist die leichtere Manipulierbarkeit. Aber wenn man die Integrität der Postbediensteten, Wahlhelfer und Bürgeramtsmitarbeiter anzweifelt, der kann genauso wenig vertrauen in die eigentlichen Auszählergebnisse haben. Auch zu denen sind Manipulationsversuche aktenkundig.

Ich finde Briefwahl richtig und wichtig, sie ermöglicht mir (Spaßgesellschafter, der ich scheinbar bin) flexiblere Lebensgestaltung, mich vorher schon aus dem Wahlkampf auszuklinken und trotzdem am demokratischen Leben zu partizipieren. Ich habe auch genug vertrauen in die Post, den Wahlbrief ins Bürgeramt zu bringen (bzw habe ich den selbst dort eingeworfen, deren Briefkasten ist nur 50m weiter weg als der gelbe von der Post) und bin auch davon überzeugt, dass der korrekt am Wahltag mitgezählt wird. Ich glaube auch trotzdem eine informierte Wahl getroffen zu haben, die meinem politischen Willen entspricht. Ohne Stinkefinger und Krieg.

Alkohol am Lenker…

Spiegel Online berichtet gerade von der Innenministerkonferenz, dort wird vorgeschlagen, die “Promillegrenze” für Radfahrer von derzeit 1,6‰ zu senken. Auf konkrete Zahlen wollte sich dabei scheinbar niemand festlegen. Es wird argumentiert, dass nach ADFC-Angaben im Jahr 2011 genau 3725 Radfahrer unter Alkoholeinfluss verunfallt sind. Das sind knapp 5% aller Unfälle. Wobei zumindest die im Artikel genannte Aufstellung keine Aussage zu den Verursachern oder der Alkoholmenge zulässt. Wenn ein verkehrsgefährdendes Verhalten vorliegt gilt für Radfahrer aktuell auch schon die für Autofahrer gültige Grenze von 0,3‰.

In der Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen an die Bundesregierung findet man etwas mehr Zahlenwerk. Das reicht zwar nur bis 2010, aber da erfährt man z.B. dass die Zahl der verunglückten Radfahrer und auch der tödlich Verunglückten zuletzte leicht zurückging und dass nur in etwas mehr als 1/3 der Fälle der Radfahrer der Verursacher ist.
Auf Seite 10 wird es dann interessant, denn da kommen ein paar Zahlen zu Eintragungen ins Verkehrszentralregister. Im Jahr 2011 gab es 40623 Eintragungen, von denen 9229 etwas mit Drogen oder Alkohol zu tun hatten. Das heißt im Falle von Alkohol, jemand wurde mit mehr als 1,6‰ oder 0,3‰ und Unfallbeteiligung von der Polizei gestoppt. Rotlichtverstöße aller Art von Radfahren kommen dabei summiert auf 28309 Eintragungen. (hui, zwei davon sind von mir). Betrunkene Radfahrer scheinen also ein ernstes Massenphänomen zu sein, bei dem unbedingt Handlungsbedarf besteht.

Gut, jeder verunglückte Verkehrsteilnehmer ist einer zu viel, aber im Prinzip kann man eigentlich sagen, jeder Betrunkene, der nicht Auto fährt ist schon einmal ein Gewinn. Sicher gefährdet ein Betrunkener auf dem Rad sich selbst und auch andere, aber ab einem gewissen Promillewert hat sich das mit dem Rad fahren eh von allein erledigt, er ist langsamer und hat weniger kinetische Energie bei Kollisionen. Wenn nun die Grenze sinkt und die Strafen sich denen für’s betrunken Auto fahren angleichen, dann wird sich die Zahl der Trunkenheitsfahrten mit Autos wieder erhöhen. Ist viel bequemer, man kann nicht umfallen und muss sich nicht anstrengen und wenn einen dabei eine ähnliche Strafe wie auf dem Rad erwartet… Der ADFC schlägt 1,1‰ als neuen Grenzwert vor, das wäre noch deutlich mehr als mit dem Auto, aber im Zweifel sollte man dann doch das Taxi oder die Öffis nehmen. Da könnte ich mit leben, aber ich bin auch aus dem gröbsten raus, was Besaufbedürfnisse angeht.

Naja, und dann gibt es da noch das SpOn-Leserforum. Das ist ja eher eine Mischung aus 4chan und Heise-Kommentaren, auf jeden Fall immer wieder erheiternd. Meine Güte. Wenn man dort die Kommentare so liest, dann muss es in Deutschland ja Landstriche geben, in denen alle 10 Meter ein betrunkener Radfahrer auf der Straße liegt und jeder zweite Fußgänger von Amokradlern umgefahren wird. So viele Grabenkämpfe und Unwissen, man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll.

 

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/innenminister-wollen-promillegrenze-fuer-radfahrer-senken-a-900921.html