dridde bloggt. manchmal.

Das Ende der demokratschen Wahl

Der Tagesspiegel schreibt gerade das Ende der demokatischen Wahl herbei, weil die Briefwahl unser aller Ende sein wird.

Ich halte das ja für ziemlichen Blödsinn.
Einerseits wird Dramatisch darauf verwiesen, dass der Anteil der Briefwähler in 1957 bei 4,9 und 2009 bei 21,4% lag. Der Vergleich hinkt, weil 1957 das erste mal Briefwahl zulässig war, sie aber noch begründet werden musste. Ohne die Pflicht zur Begründung wären es damals vielleicht auch viel mehr Menschen gewesen. Die Gesamtwahlbeteiligung lag 1957 bei 87,8% mit gut 31,1Mio Wählern. 2009 lag die Wahlbeteiligung bei 70,8% mit gut 44Mio Wählern. Macht 1957 absolut ca. 1,5 und 2009 ca. 9,4Mio Briefwähler. Damit hat sich die absolute Zahl etwas mehr als versechfacht, der Anteil vervierfacht.

Dann kommen die Kritikpunkte.
Die Spaßgesellschaft ist schuld. Schuld daran, dass wir lieber Sonntags ausschlafen oder Wegfahren oder im Urlaub sind, statt ins Wahllokal zu gehen. Dass ein Urlaub durchaus ein valider Grund ist oder ein “nicht in der Nähe des Wahllokals sein” Ursachen wie Fernbeziehungen oder Pendeln, schlicht, die immer wieder geforderte Mobilitätsbereitschaft haben kann, kommt gar nicht in Betracht.
Dann wird konstruiert, dass die Briefwahl eben die Wahlgrundsätze kaputt macht. Weil eben nicht alle Wähler gleich informiert sind. (Spoiler, die Briefwähler sind potentiell schlechter informiert) Das ist eigentlich nicht wirklich ein Problem, die Briefwählerin verzichtet ja freiwillig auf dieses Privileg, sich den Politzirkus bis zum Wahltag anzusehen. Sie kann den Wahlbrief auch erst am Freitag vor der Wahl ausfüllen oder falls sie wirklich zu gebrechlich ist, einer Vertrauensperson mitgeben, die ihn am Wahltag ins Wahllokal bringt. Das ganze wird dann noch mit Ereignissen der letzten Wochen begründet. Aber mal ehrlich, wer davon ausgeht, dass aktuelle Ereignisse wie drohende Kriege im Nahen Osten oder Stinkefingerfotos wirklich Wahlentscheidungen von Menschen massiv beeinflussen, der hat auch ein eingeschränktes Demokratieverständnis. Snowden und die NSA (klingt ein wenig wie ein Kinderbuchtitel), das scheint für die meisten Wähler wohl auch nicht relevant zu sein. Die zaghafte Debatte ist da, aber in den Umfragen hat sie eben keinen wirklichen Einfluss gehabt. Außerdem haben die Parteien und Kandidaten absolut keinen Anspruch auf die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Wahlberechtigten bis zur letzten Minute vor dem Wahltag.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat ja eben *kein* Problem damit, dass es die Briefwahl gibt und sieht es als wichtiges Partizipationsmittel.
Der einzig valide Kritikpunkt ist die leichtere Manipulierbarkeit. Aber wenn man die Integrität der Postbediensteten, Wahlhelfer und Bürgeramtsmitarbeiter anzweifelt, der kann genauso wenig vertrauen in die eigentlichen Auszählergebnisse haben. Auch zu denen sind Manipulationsversuche aktenkundig.

Ich finde Briefwahl richtig und wichtig, sie ermöglicht mir (Spaßgesellschafter, der ich scheinbar bin) flexiblere Lebensgestaltung, mich vorher schon aus dem Wahlkampf auszuklinken und trotzdem am demokratischen Leben zu partizipieren. Ich habe auch genug vertrauen in die Post, den Wahlbrief ins Bürgeramt zu bringen (bzw habe ich den selbst dort eingeworfen, deren Briefkasten ist nur 50m weiter weg als der gelbe von der Post) und bin auch davon überzeugt, dass der korrekt am Wahltag mitgezählt wird. Ich glaube auch trotzdem eine informierte Wahl getroffen zu haben, die meinem politischen Willen entspricht. Ohne Stinkefinger und Krieg.

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