Techniktagebuch: “Sei zuhause, wenn die Laternen angehen”
Herbst 1992
Im Herbst 1992 war ich 10 Jahre und lebte mit meinen Eltern in einer Plattenbausiedlung im Norden Rostocks. Da meine Eltern beide berufstätig waren, kamen beide erst gegen 16:30 nach Hause und wussten oft nicht, wo ich mich nach der Schule herumtrieb. Meist war ich bei Freunden oder spielte irgendwo draußen.
Handys waren uns noch gänzlich unbekannt, und Armbanduhren verweigere ich mich schon seit damals. Daher gab es die Vereinbarung, dass ich nach Hause käme, sobald sich die Straßenlaternen einschalteten.
Auf einem meiner Streifzüge hatte ich mit einem Freund entdeckt, dass nicht weit weg von unserem Hauseingang ein großer, grauer Schaltkasten mit einer Stange daneben stand. Wir kletterten daran hoch und stellten fest, dass, wenn wir das Glas oben an der Stange zuhielten, die Laternen angingen. Das funktionierte bestimmt auch umgekehrt.
Kurz nach einer erneuten Erinnerung an “Sei zuhause, wenn die Laternen angehen” bastelte ich an einem Nachmittag aus einer Flachbatterie, einem Gummiband und einer Fahrradglühbirne eine kleine Taschenlampe und legte sie auf die Glasscheibe. Ich weiß nicht genau, wann ich letztendlich nach Hause kam, es war jedenfalls schon eine ganze Weile dunkel; die Straßenlaternen blieben die ganze Nacht über aus.
Meine Eltern waren nicht begeistert und wussten genau, dass ich etwas damit zu tun hatte, bestraft haben sie mich aber nicht. Vermutlich hätten sie sonst ihre pädagogische Glaubwürdigkeit verloren.
Heute weiß ich, dass dort wohl eine Fotodiode verbaut war, die ab einer bestimmten Helligkeit die Straßenlaternen schaltete. Als wir 1997 dort wegzogen, existierte der Schaltkasten schon ein paar Jahre nicht mehr.
Zuerst erschienen im Techniktagebuch.
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