Meine 23 Freunde und ich
Vor ein paar Wochen spuckte ich in ein kleines Plastikröhrchen. Dann war ich verrückt genug, dieses Röhrchen DHL anzuvertrauen. Die haben es wider erwarten geschafft, das zeitnah nach Kalifornien zu bringen. Da wurde meine Spucke dann auf einen kleinen Chip gekippt und am irgendwann sollte dann rauskommen, wie kaputt meine Erbanlagen so sind.
Ich kam gerade mitten in der Nacht nach Hause und stellte fest, dass irgendwann genau heute ist. Die ersten Ergebnisse sind da, der Rest, wie Abstammungsgekröse und Vergleiche mit Freunden fehlen noch. Ersteres, weil sie noch so ein, zwei Wochen brauchen um das zu berechnen. Ich stelle mir gerade Supercomputer vor, die tagelang über meinen Erbinformationen brüten und Dinge auswürfeln. Wahrscheinlich ist es aber nur eine kleine Kiste mit Zugriff auf einen Datenbank-Cluster und ich dümple irgendwo ziemlich weit hinten, in einer Queue rum. Zweiteres, weil ich dort noch gar keine Freunde eingetragen und hinzugefügt habe.
Ich bin müde und der ganze Kram dort sind medizinische und genetische Informationen auf Englisch. Keine gute Kombination, aber so einen groben Überblick habe ich mir schon mal verschafft. In den nächsten Tagen schaue ich mir das mal genauer an, dann, und wenn der Rest mal ausgewürfelt ist, gibt es auch noch einen detaillierteren Eintrag. Es sieht aber so aus, als wäre ich gar nicht so desolat geraten. Ich habe keine Indikatoren für irgendwelche Erbkrankheiten, bin also nicht mal Träger davon, habe 2,7% Neanderthaler-DNA, was ziemlich genau der europäische Durchschnitt ist und nicht mal ein erhöhtes Risiko für die meisten Krebssorten. Dafür ein leicht erhöhtes Risiko für Herzscheiß wie Vorhofflimmern (mit sowas hatte ich schon gerechnet), Zöliakie, altersbedingte Makuladegeneration und Alzheimer. Sachen wie Parkinson und Prostatakrebs werde ich wohl eher nicht bekommen. Da hatte ich mir viel schlimmere Dinge ausgemalt.
Ick will dat allet jar nich von mir wissen. Mir reicht schon dit wat ick hab und die Ahnung, wat da noch so komm’ kann.